Zürich, 10. Mai 2023 – Der diesjährige Swiss Overshoot Day fällt auf den 13. Mai: Würden weltweit alle Menschen wie die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz konsumieren, wäre dann schon alles verbraucht, was die Ökosysteme unseres Planeten in einem ganzen Jahr erneuern können. Es bräuchte also die Regenerationskapazität von fast 3 Erden, um den Schweizer Konsum zu ermöglichen. Um diese Herausforderungen sichtbar zu machen, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, und um auf die bisherigen noch geringen Anstrengungen der Schweiz hinzuweisen, spannen Soil to Soul, das FiBL, das Gottlieb Duttweiler Institut, #MoveTheDate Switzerland, Swiss Food Research, und Global Footprint Network zusammen.
Kontinuierlicher Overshoot führt uns in eine Zukunft, die von verstärktem Klimawandel und zunehmender Ressourcenverknappung geprägt ist. Dies gilt für jedes denkbare Szenario. Ausserdem kommt diese Zukunft schneller auf uns zu, als sich unsere Städte, Unternehmen, die Energieinfrastruktur und Ernährungssysteme darauf anpassen können. Es ist daher nachteilig, langsam zu reagieren.
Möglichkeiten gibt es
Tatsächlich gibt es in der Schweiz viele zukunftsweisende Initiativen, die auf den Overshoot-Trend reagieren, so zum Beispiel:
- Fabas oder Vegional sind 2 Food Start-Ups stellen aus lokal angebauten Hülsenfrüchten nährstoffreiche Lebensmittel her;
- Vermarktung von schmackhaften Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis für Haushalte und Gastronomie wie z.B. The Green Mountain;
- Das Bauunternehmen Eberhard leistet Pionierarbeit bei der Wiederverwertung von Bauabfällen, um die Kreislauffähigkeit der Bauindustrie zu erhöhen;
- Das IT-Unternehmen SCS frischt das «elektronische Gehirn» älterer Maschinen oder Infrastruktursysteme (wie Ticket-Automaten oder Fahrgastinformationssysteme) auf und gibt ihnen ein längeres Leben;
- Carvolution ermöglicht es Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, keins zu besitzen;
- Phenogy entwickelt Batterien mit Zink, die damit nicht auf das seltene Lithium angewiesen sind;
- Madame Frigo bietet öffentliche Kühlschränke zum Teilen von Essensresten an, Backwarenoutlet und Äss-Bar geben Backwaren von gestern ein zweites Leben, während foodwaste.ch umfassend Informationen bereitstellt, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden;
- Umami und Yasai produzieren nahrhaftes Mikrogrün mit Indoor-Wassertanks, die natürliche Kreisläufe imitieren;
- Vuna Nexus verwandelt menschlichen Urin in Gartendünger;
- Cowa entwickelt Wärmepuffer für Haushalte. Das macht Wärmekraftpumpen effektiver, besonders die, die Photovoltaik einsetzen.
Und es gibt noch viele mehr. Trotz all dieser innovativen Bemühungen, so inspirierend sie auch sind, ist die Schweizer Wirtschaft als Ganzes bei weitem nicht auf Klimawandel und Ressourcenknappheit vorbereitet. Die Schweiz lebt immer noch von mehr als viermal so viel, wie die Schweizer Ökosysteme erneuern können. Infolgedessen ist die Schweiz wachsenden Ressourcenrisiken ausgesetzt.
Würde die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 halbieren, wie dies das Pariser Abkommen vorsieht, würde sich der Swiss Overshoot Day um 72 Tage auf den 24. Juli verschieben. Zielkonflikte in den Diskussionen zu politischen Lösungen bremsen die Fähigkeit der Schweiz massiv, in der von Klimawandel und Ressourcenbeschränkungen geprägten Zukunft erfolgreich zu bleiben. Wie kann sich die Schweiz auf Ressourcensicherheit ausrichten?
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Mehr Hintergrund zum Overshoot Day
Warum Overshoot für die Wirtschaft relevant ist
Die Zukunft war noch nie so vorhersehbar wie heute. Wir wissen, dass die Menschen essen und schlafen werden. Auch wollen sie in der Zukunft mobil sein, sich sicher fühlen, und es lustig haben. Zudem wissen wir, dass wir in einer Welt leben werden, in der es immer mehr Klimawandel und weniger Ressourcen gibt. In jedem sich auszudenkenden Szenario. Ausserdem rückt diese Zukunft schneller auf uns zu, als sich unsere Städte, Unternehmen, Energieinfrastrukturen und Ernährungssysteme darauf einstellen können. Ressourcensicherheit wird daher ein immer zentralerer Parameter. Das verdeutlicht auch der anhaltende Krieg in der Ukraine.
Das macht Ressourcensicherheit zu einem zentralen Treiber der wirtschaftlichen Resilienz. Der anhaltende Krieg in der Ukraine und die dadurch verursachten Unterbrechungen der Ressourcenversorgung sind ein Beispiel dafür. Der Krieg hat unsere fragile Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gezeigt. Massive Anstrengungen haben uns geholfen, uns von der russischen Versorgung abzukoppeln, aber unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist immer noch enorm. Eine rasche Energie- und Ressourcenumstellung wird die Welt mit weniger extremem Klimawandel und die Akteure mit einer weitaus verlässlicheren Ressourcenlage belohnen. Man bedenke nur, dass die Schweiz heute 4,4 Mal mehr verbraucht, als ihre eigenen Ökosysteme regenerieren können.
Verlängern wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, so erhöht sich das Risiko, dass wir auf weniger nützlichen (und schließlich gestrandeten) Energie- und Mobilitätsinfrastruktur sitzen. Auch sind wir mehr globalen Spannungen und politischen Unruhen ausgeliefert. Die Ernährungssicherheit wird weltweit besonders kritisch, und auch das hat Auswirkungen auf die global integrierte Wirtschaft der Schweiz.
Wer das Risiko trägt
Die, die mit der Energie- und Ressourcenwende zögern, werden Risiken ausgesetzt, die immer grösser, mittelbarer, und auch ungleichmässiger verteilt werden. Die Ungleichheiten steigen auch zwischen denen, die sich klug vorbereiten und Resilienz aufbauen, und denen, die warten, und sich damit schwächen. Wer sich nicht auf den Wandel einlässt, kommt ins Hintertreffen.
«Es ist unklar, ob die Schweiz die Entschlossenheit hat, sich angemessen auf die absehbare Zukunft des Klimawandels und der Ressourcenknappheit vorzubereiten. Der Krieg in der Ukraine mag ein Weckruf gewesen sein, doch gleichzeitig ist der politische Wille zu einer Reorientierung noch gering», sagt Steven Tebbe, Exekutivdirektor von Global Footprint Network. «Zwar gibt es gute Ansätze in der Schweiz, wie die Steigerung der thermischen Effizienz von Häusern oder die Nutzung von Strom aus Wasserkraft, aber insgesamt ist das Land noch weit davon entfernt, in einer Welt mit anhaltendem Overshoot zurechtzukommen. Die Lücke ist nach wie vor immens.»
Basierend auf den Daten von 2018 benötigte allein der Lebensmittelkonsum der Schweizer Bevölkerung die Kapazität von mehr als einer ganzen Schweiz. Die gleiche Menge wurde benötigt, um die Schweizer Mobilität aufrechtzuerhalten. 77% des biologischen Ressourcenbedarfs der Schweizerinnen und Schweizer stammen aus dem Ausland.
Der Wohnungsbau benötigt etwa 1/6 des Schweizer Gesamtbedarfs, weshalb das Bauunternehmen Eberhard neue Wege geht, um die Ressourcenintensität des Bauens zu mindern. Patrick Eberhard, Verwaltungsrat dieses Unternehmens, betont, dass «Gebäude und Bauteile zum Glück meist eine sehr lange Lebensdauer haben. Damit unterliegt Infrastruktur auch enormen Lock-in-Effekten. Deshalb ist die richtige Konstruktion und Materialwahl umso wichtiger.»
Unternehmen oder Länder, die sich nicht auf die vorhersehbare Zukunft vorbereiten, werden weitgehend benachteiligt sein. Sich nicht nur schnell, sondern auch richtig zu entscheiden, wird immer wesentlicher, da die physische Infrastruktur von Städten und Unternehmen nur langsam angepasst werden kann, langsamer, als die ressourcenbeschränkte Zukunft auf uns zu kommt. Wo steht die Schweiz? Was sind unsere Möglichkeiten?
Die obige Abbildung zeigt die Anzahl der Schweiz, die benötigt wird, um den jährlichen Ressourcenverbrauch der in der Schweiz lebenden Menschen zu decken, im Vergleich zu der Anzahl der Erden, die benötigt würde, wenn alle Menschen so leben würden wie die Einwohner der Schweiz.
Eine Sache ist offensichtlich. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß, mit denen die Schweiz ihre Wirtschaft umgestaltet, verschlechtern die längerfristigen Aussichten der Schweiz.